Science in 3D hörte sich für mich anfangs nach Avataren in Laborkitteln an, die in merkwürdig sterilen und phantastischen Versuchsumgebungen zu virtuellen Frankensteins avancieren wollen.
Wie sich herausstellte, hatte ich den Spirit von Second Life mal wieder gründlich unterschätzt.
Im virtuellen Hörsaal der Uni Potsdam tummelte sich um 16:00 Uhr das typische bunte Second Life Avatarvolk in seiner schillernden Vielfalt.
Über 40 Teilnehmer aus Europa und ein Gast aus New York sind zusammengekommen, um über den Nutzen virtueller Räume zu informieren, informiert zu werden und zu diskutieren.
Prof. Dr. Christian Lattemann von der Uni Potsdam eröffnete die Vortragsreihe mit seinen Erfahrungen, die er bei seiner Arbeit in Second Life gesammelt hat, und ging dabei näher auf die Potentiale, aber auch auf die Einschränkungen von virtuellen Welten ein.
Einen der Vorteile, die Second Life als Lernplattform bietet, machte Prof. Dr. Hebbel-Seeger von der Hochschule für Medien und Kommunikation in Hamburg sich zu Nutze. Er begann seinen Vortrag mit einem Brainstorming zum Thema „Was erhoffen Sie sich vom Einsatz virtueller Welten zu Lehr- und Lernzwecken?“
Ausgiebig nutzen die Zuhörer den Textchat, welcher protokolliert wurde, und direkt auch ausgewertet wurde.
Kooperation, Kommunikation und Raumentkopplung waren die Favoriten. Vom Prinzip keine besonders neuen Erkenntnisse, aber eine einfache Demonstration eines Feedbacksystems, das völlig unproblematisch in eine virtuelle Vorlesung passt. Der Vorteil liegt eben im Chatlog.
Als nächstes setzte sich Johannes Moskaliuk von der Universität Tübingen mit dem Thema „Lernen in Nutzergenerierten virtuellen Welten“ auseinander. Er ging dabei auf das Verhältnis zwischen Lerner, Lehrer und dem Lerngegenstand und die vom Institut betriebene Kognitionsforschung ein, an dessen Realisierung Avameo und Partner mitgewirkt haben.
Virtuelle Räume ermöglichen soziales Lernen, und da der Lerngegenstand keinen physikalischen Restriktionen unterliegt, wird Wissen mit Hilfe von Simulatoren erlebbar.
Für Forschunszwecke ist die Simulation einer Seismischen Welle beispielsweise wesentlich billiger, als das Verursachen eines echten Tsunami, das dürfte jedem klar sein.
Wo aber noch weitere ökonomische Vorteile durch die Nutzung virtueller Welten entstehen, darauf ging Frau Ricarda T.D. Reimer von der Universität Zürich genauer ein.
Ihr Thema war „Bildungsökonomische Perspektiven auf Hochschulen in SL – Marketing in 3D“. Als Bildungsökonomin ist es ihre Aufgabe, Bildung als Investition, dem späteren volkswirtschaftlichen und individuellem Nutzen, gegenüber zu stellen.
Dabei verwies sie auf England, wo eine große Zahl an Hochschulen mittlerweile virtuelle Lernumgebungen nutzt, und so erhebliche Marketingkosten reduziert haben.
„Raus aus dem Hörsaal, rein in den Sandkasten!“ ist das Motto von Christine Fischer der VHS Goslar. Und so ging es auch weiter. In der nahegelegenen Sandbox befanden sich schon alle nötigen Materialien, und so konnte sie eins zu eins ihre Lehrmethoden in Second Life demonstrieren.
Von interaktiven Feedbacktools bis hin zur systematischen Darstellung komplexer Geräte, wie zum Beispiel einer Spiegelreflexkamera.
Auch wenn die Bewegung „nur“ virtuell war, machte sich bei mir ein Unterschied in der Aufmerksamkeitqualität plötzlich bemerkbar. Das aus der realen Welt übernommene Vorführen von Power Point Präsentationen hat auf mich den gleichen Effekt, wie im realem Leben.
Da ich die Vorträge hoch interessant fand, möchte ich mal das Wort „einschläfernd“ vermeiden und statt dessen „hypnotisch“ verwenden ;-)
Bei dem Vortrag von Frau Fischer konnte man aktiv werden. Virtuelle Stangen umherschieben, mit dem Avatar herumlaufen, Kisten sortieren und, und, und…
Sie hat den Vorteil einer virtuellen Welt erlebbar gemacht.
Tobias Neisecke von YOUin3D, Veranstalter von BIZZin3D, hielt als ehemaliger Mediziner einen entsprechenden Vortrag über Gesundheit. „Health in 3D: Medizinische Projekte & Aktivitäten in virtuellen Welten“.
Von Selbsthilfegruppen zu den verschiedensten Problemen, bis hin zur Angsttherapie und Beispielen für den Biologie Unterricht. Die Liste der bestehenden Second Life Projekte, die Tobias Neisecke vorstellte, war lang und beeindruckend.
Frau Dr. Nadine Ojstersek und Dipl. Päd. Tanja Adamus von der Universität Duisburg-Essen präsentierten ihre „Erfahrungen, Erkenntnisse und Potentiale“, die sie als Bildungseinrichtung in Second Life gesammelt haben.
Die Gestaltung von Lernumgebungen wurde genauso angesprochen, wie die Konzeption von Lernaufgaben, sowie der Spanischkurs für Anfänger.
Nach einer kurzen Pause wurde das zweite Thema des Abends angegangen: „Geschäftsmodelle in virtuellen Welten“, und Dr. Stefan Stieglitz der Universität Potsdam stellte die Frage, die momentan sehr viele Menschen bewegt.
Wie kann ich denn nun mit dieser Technologie, die so viele Vorteile und Neuerungen ermöglicht, reales Geld verdienen?
Stephan Keisers von Second Interest stellte als erster seine Lösung zum Thema Geldverdienen vor. Er prognostizierte einen künftigen Run auf virtuelle Welten, doch solange man nicht weis, wo die User rennen, kann man nur schwer Geld verdienen. Als Lösung präsentierte er die Möglichkeit, Avatarbewegungen aufzuzeichnen, und die Besucher auf Inseln zu analysieren und kategorisieren.
„Immersion statt Konfusion – Neue Wege der Zusammenarbeit durch den Einsatz virtueller Welten“ lautete das Thema von Markus Bokowsky.
Er lieferte diesbezüglich einen Überblick über 3 dimensionale Konferenzräume und Tools, die eine Schnittstelle zwischen 2D- und 3D- Internet bilden.
Die Schwäche von virtuellen Meetings ist mir gestern Abend ganz real bewusst geworden. „Ihr Second Life Client ist abgestürzt! Möchten Sie einen Fehlerreport abschicken?“ war die Meldung, die mich aus meiner Immersion riss. Schnell Client neu starten… Fehler beim Einloggen! Nochmal…. Wieder Fehler!
Beim Reboot sah ich mir noch mal den Terminplan an und fand Daniel Stainhauser von der Lonesoft GmbH. Ich erinnerte mich an den Küchenbrand, über den Pia Piaggio schon berichtet hat, und hörte auf, mich zu ärgern.
Das Rad muss ja nicht zweimal erfunden werden, dachte ich, und so ausführlich und schön, wie Pia die Brandsimulation beschrieben hat… Da halte ich mich lieber ein Bisschen zurück und genieße den realen Feierabend… :-D